Die Familie Aschkenasy aus Brody

 

Am 8. Jänner 1860 ist im Haus Nr. 1355 "Ettel, Weib des Jacob Michel Aschekenasy vel Deutscher" im Alter von siebzig Jahren gestorben.

 

Es ist einer der letzten Einträge in den Matrikeln von Brody über die Familie Aschkenasy. Leider ist nirgends ein Geburtsname von Ettel angegeben, aber der Eintrag sagt uns immerhin, dass Ettel um 1790 geboren wurde und dass die Familie immer  die  in ihrer Bedeutung identen Namen "Aschkenasy" und "Deutscher" verwendete. Jacob Michel muß großen Wert auf diese Schreibweise gelegt haben, denn die Einträge von Vulgonamen bzw. Doppelnamen sind in den Matrikel nicht häufig zu finden. Im Übrigen wurden die Namen phonetisch  geschrieben. Deshalb gibt es auch die Varianten Aszknasi, oder Daitszer etc.

 

Acht Kinder von Ettl und Michael Aschkenasy wurden ab 1818  im Geburtenbuch vermerkt. Zur Welt gebracht hat Ettl vermutlich wesentlich mehr Kinder, denn bei der Geburt von Sara war Ettl bereits 29 Jahre alt. Zu diesem Zeipunkt war sie nach den damaligen Gepflogenheiten bestimmt schon 10 Jahre verheiratet. Die früheren Geburten wurden entweder nicht registriert, oder die Geburtenbücher existieren nicht (mehr).

 

Sara, geb. 27. 5. 1819

Rifke,  11. 6. 1822

Ruchel, geb 22. 6. 1825

Taube,   geb 3. 3. 1828,   gest 30. 1. 1830

Salamon , geb 2. 1. 1831

Laser Samuel, geb 5. 3. 1833

Lieber Salamon,   geb 25. 12. 1835,   gest. 3. 7. 1836

Isaac Leib, geb 16. 5. 1838,   gest 22. 11. 1839

 

 

Geburt von Riwke (Rebekka) Aschkenasy am 11. Juni 1822

Geburt Salamon Askinasy am 2. Jänner 1831

Geburt von Samuel Laser am 5. März 1833

Geburt von Sara Aschkenasy am 27. Mai 1819

 

 

 

 

 

Der Ausschnitt aus dem Katastralplan der Stadt Brody zeigt die Hausnummern 1355 und 1356 (X) in der Neugasse. Das Haus 1356 ist in den Hinterhof von 1355 gebaut worden. Das erklärt auch, warum in den Matriken die Hausnummern abwechselnd verwendet wurden.

Die ersten Kinder von Naftali Rubin und Rebekka Aschkenasi wurden im Haus 1169 geboren. Unter anderen auch Rosa (1. Mai 1847) die sich nach dem Tod ihres Mannes Emil Feigenbaum dem Journalismus und der Frauenbewegung zuwandte und zu einer glühenden Verfechterin der zionistischen Idee wurde. >>weiterlesen

Fast eine Fundgeschichte

 

Es war nur ein Pfeil ins Blaue, als ich 2003 auf dem Schwarzen Brett von www.jewishgen.org eine Suchnachricht zu unseren Aschkenasy-Vorfahren aus Brody hinterließ. Sechs Jahre später antwortete mir ein gewisser Ami Elyasaf aus Rehovot in Israel. Er lud mich ein, bei der Transkription der jüdischen Matrikel von Brody mit zu arbeiten. Das war ein Glücksfall in zweierlei Hinsicht. Einmal war da die Möglichkeit, in den Matrikel der jüdischen Gemeinde von Brody nach Vorfahren zu suchen, zum anderen wies Ami mich auf eine mögliche Verwandtschaft mit Chacham Zvi Hirsch Aschkenasy hin, von dem auch er glaubt, mit ihm verwandt zu sein.

Die nähere Beschäftigung mit diesem Chacham Zvi machte es verständlich, warum Ami Elyasaf so großen Wert auf diese Herkunft legte. Chacham Zvi war zu seiner Zeit ein europaweit bewunderter Rabbi um den sich die vornehmen jüdischen Gemeinden rissen und er entstammte einer Rabbinerdynastie die sich, sechs Generationen zurück, auf ihre Herkunft von Rabbi Meir Katzenellenbogen (1482 -1565) von Padua berufen konnte.

 

Der Arzt Neil Rosenstein aus Newark, New Jersey, hat sein halbes Leben damit verbracht, die Nachkommenschaft von Meir Katzenellenbogen zu erforschen und zu dokumentieren. In seinem zweibändigen Werk „The Unbroken Chain“ kann er im Vorwort die Frage stellen, was Karl Marx, Helena Rubinstein und Martin Buber gemeinsam haben. Die Antwort lautet, alle drei sind Nachkommen des Rabbi Meir Katzenellenbogen aus Padua.

 

Mit dem Hinweis von Ami Elyasaf, wir könnten auch, zwar nicht über eine „unbroken chain“, aber zumindest mit einem dünnen Faden mit dieser illustren Sippschaft verbunden sein, war der Floh ins Ohr gesetzt und die Suche begann.

 

Die erste Hoffnung, in den Matrikel eine eindeutige Verbindung finden zu können, schwand sehr schnell, denn die Aufzeichnungen reichten nur bis in das Jahr 1818 zurück. Unser Vorfahre Jacob Michael Aschkenasy / Deutscher taucht zum ersten Mal am 27. Mai 1818 als Vater der Sara Aschkenasy auf.

 

Neil Rosenstein wiederum weist einen Sohn (Rabbi Nathan Aschkenasy) und einen Enkel (Rabbi Ephraim Aschkenasy) als Nachkommen von Chacham Zvi Hirsch Aschkenasy in Brody nach. Sie haben aber ungefähr im Zeitraum 1720 – 1780 in Brody gelebt.

 

Diese Lücke von ein oder zwei Generationen zu schließen, ist bisher nicht gelungen. Im Sommer 2012 hatte Ami Elyasaf auch mit der Dokumentation und Transkription der Grabsteine von Brody begonnen und ich rechnete mit entsprechend aufschlussreichen Grabinschriften. Es war ein Irrtum. Zu dieser Zeit wurden keine Familiennamen in Stein gemeißelt, nur Vornamen und seine Herkunft (Sohn oder Tochter von..)

 

Es blieb noch der Versuch, Neil Rosenstein zu bitten, seine Unterlagen noch einmal anzuschauen, ob sich nicht doch eine Verbindung nachweisen lässt. Seine negative Antwort war kurz und desinteressiert. Schwer zu glauben, dass er sich näher damit beschäftigt hat.

 

Summa summarum muß gesagt werden, dass sich keine Verbindung nachweisen lässt, aber es gibt überzeugende Indizien, dass eine verwandtschaftliche Verbindung zu Chacham Zvi Hirsch Aschkenasy sehr wahrscheinlich ist. Nach Einschätzung von Ami Elyasaf, der inzwischen zum Executive Manager des International Institute of Jewish Genealogy aufgestiegen ist, gibt es keine Zweifel.

 

 

 

 

 

 

Was spricht für die Verbindung?

 

Gewichtige Hinweise ergeben sich aus der damals üblichen Namenstradition.

 

Die Aschkenasischen Juden, also von Mitteleuropa nach Osteuropa ausgewanderte Juden, hatten bis Ende des 18. Jhdt. keine festen Familiennamen. Stattdessen wurde der Name des Vaters (Patronym) beigegeben. Das war auch der religiöse Name. Zvi Hirsch Aschkenasy hieß also ursprünglich Zvi Hirsch Ben Yakoov.

 

Es gab aber die Tradition, besonders berühmte rabbinische Dynastien mit einem von der Herkunft des Gründers abgeleiteten Familiennamen zu bezeichnen. Weil Chacham Zvi aus Deutschland kam, bekam er den Namen Aschkenasy = Deutscher. Welche Form gebraucht wurde, dürfte von der verwendeten Sprache, Jiddisch oder Deutsch, bestimmt gewesen sein.

Aschkenasy war also weniger ein Familienname und mehr ein „Markenname“ der Rabbinerdynastie, der dann nur von den Söhnen die wiederum Rabbiner wurden, geführt wurde.

 

1787 wurden die Juden in Österreich gezwungen, unveränderbare Familiennamen anzunehmen. Um nicht Gefahr zu laufen, von den k&k Beamten einen Spottnamen aufgezwungen zu bekommen, werden die Nachfahren des Chacham Zvi sich auf ihren bereits vorhandenen Vulgonamen Aschkenasy berufen haben. So ging der Name auf alle Familienmitglieder über, nicht nur auf die Rabbiner.

 

Aschkenasy als Familienname dürfte also erst nach 1787 in Gebrauch gekommen sein. Es ist also nur logisch, wenn er in den Grabinschriften noch längere Zeit nicht aufscheint, denn auf den Grabsteinen wurde noch lange die traditionelle Schreibweise, Vorname und Patronym, verwendet.

 

Diese Annahmen werden durch die Auswertung der jüdischen Matrikel von Brody untermauert. Die Matrikel umfassen den Zeitraum 1818 bis 1860.

 

In diesem Zeitraum sind:

 

Insgesamt nur 38 Kinder mit Namen Aschkenasy und 31 Kinder mit Namen Deutscher geboren worden, also knapp zwei Geburten pro Jahr.

 

Es sind 35 Personen namens Aschkenasy / Deutscher gestorben.

Diese teilen sich auf in 17 Männer der Altersgruppe 20 – 60 als Namensträger und 18 Kinder.

 

Nur 7 Männer namens Aschkenasy / Deutscher sind Wittwer geworden.

 

Von den 35 Personen sind 25 in den Häusern 1355 oder 1356 (unsere Vorfahren) registriert.  

 

Im Zeitraum 1816 – 1860 haben nur 5 Männer und 12 Frauen namens Aschkenasy /Deutscher in Brody geheiratet und es lassen sich ca. 5 Familien rekonstruieren, die alle der gleichen Generation angehören.

 

 

Unter der Annahme daß Ephraim Aschkenasy von Brody ein Vorfahre von Michael Aschkenasy war, ließe sich auf Grundlage von Neil Rosensteins Forschungen diese Linie um weitere 21 Generationen, also von meiner Generation aus gezählt, um insgesamt 27 Generationen zurück verfolgen. Da sind dann auf einer Generationsebene schon 250.000.000 Urgroßeltern.