Bombenstimmung
Es war ein Abend wie viele in der Familie Dünser. In verschiedenen Winkeln der Stube saßen die Kinder und mühten sich mit den letzten Hausaufgaben, während die Mutter in der Küche werkte. Es war besser, gar nicht in ihr Sehfeld zu geraten. Es hätte nur zusätzliche Arbeit bedeutet oder unangenehme Fragen ob das Tagessoll erfüllt sei.
Christof unser Jüngster hatte nach einem Jahr entdeckt, daß sich eine leere Ovomaltinedose hervorragend als Gehhilfe eignet. Um diese Entdeckung entsprechend zu bewundern, wurde Mama in die Stube gerufen. Kaum hatte sie die Küche verlassen, explodierte hinter ihr der Herd. Der Schreck war so groß wie die Sauerei. Als sich der Rauch etwas verflüchtigt hatte, wurden Heftigkeit und Wirkung der Explosion sichtbar. Die Pfanne wurde senkrecht an die Decke geschossen, Eisenringe der Platte waren durch das Fenster geflogen, das Backrohr war so zusammengedrückt, daß vielleicht noch ein Fisch Platz gefunden hätte. Das Feuer im Herd war entweder durch die Explosion ausgeblasen oder durch das Wasser in der Pfanne gelöscht worden. Das Entsetzen wurde sehr schnell von der Erleichterung, daß niemand zu Schaden gekommen war, verdrängt. Auf die Erleichterung folgte zwangsläufig die Ursachenforschung und noch zwangsläufiger die Schuldigensuche. Es gab nur zwei Verdächtige, mein Bruder Josef und ich. Die Gendarmerie war verständigt worden, wie weiß ich nicht, vermutlich war eine der Schwestern zu Nachbarn geschickt worden, die ein Telefon hatten. Ich sehe den sonst freundlichen Gendarm Schallert immer noch vor mir. Entsprechend meiner Größe ist mir das Bild seiner Reithosen und Schaftstiefel am besten in Erinnerung. Ich war verdächtig und beim Gedanken an meine früheren Missetaten war ich mir sicher, niemanden von meiner Unschuld überzeugen zu können. Zufällig hatten wir nach Sprengungen beim Brückenbau am Emmebach gerne den gelb isolierten Zünddraht gesammelt. Also könnten wir auch eine scharfe Zündkapsel erwischt haben. Unsere Rettung kam durch die Untersuchung der Pfanne, denn diese zeigte Einschußspuren. Das ließ auf einen Blindgänger aus Kriegszeiten schließen und unser Vater hatte beim Abbruch seines Elternhauses das ganze Abbruchholz zum Heizen übernommen. Jetzt herrschte wieder Freude über das Glück, beim Sägen und Hacken nicht den Blindgänger getroffen zu haben. Es war ein Wechselbad aber man fand immer wieder das Gute am Schlechten, besonders nachdem die Feuerversicherung sage und schreibe 10.000,- Schilling für den Schaden abgegolten hatte. Über soviel Bargeld hatten unsere Eltern noch nie verfügt. Ich glaube, damals ist bei unserer Mutter die Baulust zum ersten mal durchgebrochen. Ein neuer Herd Marke "Sonnenglut", ein neuer "Firgger" betoniert und gefliest. Fliesen an der Wand und eine Neonröhre, die den Kochbereich sagenhaft ausleuchtete.
Ein Mordsglück, daß Christof unsere Mutter in Sicherheit gelockt hat. Ich weiß nicht, ob Josef und ich sonst den Verdacht einer vorsätzlichen Sprengung je losgeworden wären.