Totgesagte leben länger

Das zweite Leben des Stabsgefreiten Mittelberger

Mit diesem Brief des Kompaniechefs wurden Johann Josef und Josefine Mittelberger vom Tod ihres Sohnes Christoph benachrichtigt. Erstaunlich, mit welchen Details der Heldentod geschildert wird. Ein Kopfschuß, um halb acht am Morgen, Beerdigung bei Kilometer 470 der Eismeerstraße, mit allen militärischen Ehren.

 

Am 16. Dezember 1944 wurde in der Stadtpfarrkirche Bregenz das Requiem gehalten und anschließend das übliche Kreuz aus Birkenprügel gesteckt.

 

 

Das Trauerjahr war gerade vorbei, als  bei Helga Mittelberger in Wien ein ausgehungerter Mann an der Haustür läutete und fragte: "Kennsch mi num? I bins, da Christoph!" Helgas Antwort, über die sie sich heute noch amüsiert: "Aber du bist doch tot."

Irgendwie gelang es, telefonisch oder telegrafisch, die Eltern in Bregenz zu benachrichtigen. Als Josefine mit der freudigen Nachricht: "Christoph lebt" zu Nachbarn und Bekannten lief, waren sich die meisten sicher, Josefine sei übergeschnappt.

 

Christoph Mittelberger hat selten über den wahren Hergang des Geschehens gesprochen. Vielleicht wäre die offene Freude, glücklich überlebt zu haben, für die vielen Trauernden ein Affront gewesen. Es wäre ein Indiz für die oft vermuteten Schuldgefühle jener, die eine Katastrophe überlebt haben.

 

Jedenfalls war es so, daß die Soldaten in der Stellung von den Russen regelrecht überrannt wurden. Sie duckten sich in einen Graben und wußten, daß die Russen sich selten die Mühe machten, einzelne Soldaten gefangen zu nehmen. Christoph war in dieser Todesgefahr wirklich gerissen. Als die Infanterie anrückte, streckte er seine Hände aus dem Erdloch und deutete mit seinen Handbewegungen Morsezeichen an, um sich als Funker auszuweisen. Die Idee hat ihm das Leben gerettet. In Erwartung wichtiger Informationen wurde er von den Russen gefangen genommen und verhört. Wegen seiner desolaten gesundheitlichen Verfassung, wurde er schon ein halbes Jahr nach Kriegsende aus der Gefangenschaft entlassen.

 

 

Protokoll einer Auferstehung

 

Auszüge aus dem Notkalender von Maria Mittelberger

 

 

Dezember 1944

 

8. Christof in Finnland am 21.10.44 1/8 früh gefallen.

 

16. Kreuzsteckung für Christof.

 

 

Dezember 1945

 

14. Telegramm von Helga Mittelberger aus Wien erhalten, Christof wohlbehalten bei uns, Uri noch nicht. Helga.

 

am 16. XII ist der erste Jahrtag der Kreuzsteckung für Christof Mittelberger.

 

24. Christof gesund 7 h abends gekommen. 3 Monate auf der Heimreise.

 

am  1. IX. 39 nach Salzburg eingerückt. Im Oktober 40 nach Norwegen, am 24. XII. 45 heimgekehrt.