Amalie geb. 1869 war die Jüngste in der Reihe der Rubin-Geschwister. Ihre Ausbildungsmöglichkeiten waren begrenzt, weil sie fast taub war.

Am 15. Juni 1890 heiratete sie den 36 Jahre älteren Hofoperntänzer und Ballettmeister Julius Price. Am Tag zuvor hatte sie sich in der Evangelischen Kirche in der Dorotheergasse taufen lassen und war zum Evangelischen Glauben übergetreten.

Als Taufpatin fungierte ihre fünf Jahre früher katholisch getaufte Schwester Jenny. Trauzeugen waren Jennys Mann Anton Weiß und der Arzt Ferdinand Much.


Julius Price kam am 30. 6. 1833 als Sohn der Tänzerin und Pantomimin Rosa Lewin und des Tänzers und Pantomimen James Price in Nischny -Nowgorod zur Welt. Die Prices waren zu dieser Zeit bereits eine europaweit bekannte Ballettfamilie. Es überrascht also nicht, daß Julius von Auguste Bournonville, einem der angesehensten Ballettlehrer seiner Zeit, zum Tänzer und Pantomimen ausgebildet wurde. Als Bournonville nach Wien ging, folgte ihm Julius Price und avancierte sehr schnell zu Publikumsliebling.



Auf der Rückseite dieses Bildes ist handschriftlich vermerkt, daß Julius einen unehelichen Sohn namens Leo Fiedler hatte, der 1914 verstorben ist.



















Die Familie Price im Oxford Dictionary of Dance

 



























Der Nachruf in der 

Neuen Freien Presse

 

Nach dem Tod ihres Gatten befand sich Amalie, wie sie selbst schreibt, in einer prekären Lage. Die Wohnung in der Wiedner Hauptsstraße mußte aufgegeben werden und Amalie zog zu ihrer Schwester Jenny in die Castelligasse 17. Nachdem ihre Bettelbriefe, bis auf einen Bestattungsbeitrag, negativ beschieden worden waren, war sie auf familiäre Unterstützung angewiesen. Aber vielleicht hat auch die dänische Verwandtschaft weiter geholfen.

Das Grab der Familie Price auf dem Evangelischen Friedhof Simmering. Zugang über das Tor 3 des Zentralfriedhofs.

Grabnummer 2 / 164.

 

Hier wurde als Erster der am 24. Jänner 1893 verstorbene Julius Price begraben. 

Amalie Maria Price starb am 21. August 1943. Wegen ihrer jüdischen Herkunft durfte sie nur in der sogenannten Abteilung für Judenchristen auf dem Jüdischen Friedhof beim Tor 4 (Zentralfriedhof) beerdigt werden. Nach 1945 hat die Tochter Rosa die Enterdigung und die Übeführung in das Familiengrab veranlasst.

Gestaltung und Inhalt der Parte sagen uns viel über die bedrückende Situation in der sich Rosa beim Tod der Mutter befunden hat.

Über Tod und Einsegnung wurde im nachhinein informiert, denn wer hätte sich mitten im Krieg im "Niemandsland" des jüdischen Friedhofes versammeln sollen. Wahrscheinlich war schon das Weglassen des gesetzlich vorgeschriebenen Zusatznamens "Sara" ein Risiko.

Rosa Price

Rosa Price wurde am 29. Juli 1891 geboren. Sie war das einige Kind aus dieser Verbindung. Rosa war ein Jahr alt, als ihr Vater Julius starb. Ihre Mutter hat nicht mehr geheiratet. Im obigen Unterstützungsgesuch schreibt Amalie, daß bei Rosa ein angeborenes Lungememphysem diagnostiziert wurde. Das wird wohl ein Irrtum gewesen sein, denn Rosas Lunge war leistungsfähig genug für eine Gesangsausbildung und außerdem wurde Rosa 81 Jahre alt.

Sicher ist, daß Rosa und ihre Cousine Josefine Weiß (meine Großmutter) zumindest in ihrer Jugend engen Kontakt hatten. Die vielen Fotos der Familie Price können nur so in unseren Familienzweig geraten sein. 

Obige Galerie zeigt Rosa als selbstbewußte aufstrebende Künstlerin die es offensichtlich verstanden hat, sich in Pose zu setzen. Mit der Kleinen Meerjungfrau verband Rosa sehr viel. 

Rosas Vater Julius und Christian Andersen, der Schöpfer der Märchenfigur, waren befreundet und Rosa soll Wert darauf gelegt haben, daß der Künstler Edvard Eriksen den Kopf nach dem ihrer Cousine, der Primaballerina Ellen Price gestaltet hat.

 

Rosas Karriere lässt sich nur in den Jahren 1914 - 1918 anhand der Zeitungsartikel etwas rekonstruieren. Sonst ist wenig bekannt bzw. überliefert.

Dieser Bericht aus der Neuen Freien Presse vom 15. 7. 1918 verrät uns einiges. Rosa war eine Schülerin der Musikpädagogin Emilie Auer-Weißgärber und sie muß Talent gehabt haben, denn sie wird hier an erster Stelle genannt und bekommt eine gute Kritik.

Vielleicht war Rosa zu dieser Zeit bereits mit dem Sohn ihrer Lehrerin, dem am Anfang des Artikels erwähnten Max Weißgärber liiert. 

Rosa muß ein Potential als Sängerin gehabt haben, denn das Fitzner Quartett hatte einen Ruf den es nicht durch mittelmäßige Stimmen aufs Spiel setzen konnte und bei aller Liebe bleibt zu bezweifeln, ob Max Weißgärber als arrivierter Geiger seine Kompositionen einer schwachen Stimme anvertraut hätte.

Das Bild zeigt Max Weißgärber mit seiner angetrauten Rosa. Es dürfte um 1930 aufgenommen worden sein. Rosas Blütezeit scheint vorüber und Max Weißgärber zieht es vor, die Katze zu kraulen.

Wann das Paar geschieden wurde ist nicht bekannt. 


Das Fitzner Quartett, stehend links Max Weißgärber (1886 - 1951).

Max stammte übrigens aus der oberösterreichischen Musikerfamilie Weißgärber, die immer wieder dadurch ins Gerede kam, weil es diverse Versuche gab, Max´ Großmutter Karolina Barghesi als außereheliche Tochter von Anton Bruckner nachzuweisen.

Rosa Price und Max Weißgärber müssen zwischen 1918 und 1920 geheiratet haben. Im Jänner 1921 tritt sie unter dem Namen Weißgärber-Price  im Großen Saal des Musikvereins auf. Rätselhaft bleibt, warum sie im  Wiener Adressbuch erst 1931 in der Wohnung ihres Mannes in der Weinzierlgasse 11 14.Bez. zu finden ist.

1932 ist Max bereits ausgezogen und wohnt in der Lothringergasse 3. Im gleichen Jahr ist Rosas Mutter Amalie in der Weinzierlgasse eingezogen.


Man kann sich vorstellen, wie turbulent das Zusammenleben war. Ein Geiger der sich Tonkünstler nennt, eine Sopranistin und dazu die fast taube Mutter bzw. Schwiegermutter, die bei der Konversation angeschrien werden muß.

Jedenfalls haben die Prices die Wohnung in der Weinzierlgasse erfolgreich erobert. Amalie lebte dort bis zu ihrem Tod 1943 und Rosa lebte in der Wohnung bis zu ihrem Tod 1972.

Im berüchtigten "Lexikon der Juden in der Musik" findet sich auch Rosa. Wie Rosa die mit drei jüdischen Großeltern die Nazizeit überlebt, kann nur vermutet werden. Etwas geschützt war sie noch durch die protestantische Konfession, es könnte aber sein, daß die ehe mit Max formal noch aufrecht war. Mit Sicherheit können wir annehmen, daß Rosa Berufsverbot hatte, schließlich war das Lexikon dafür geschaffen worden, den jüdischen Einfluß in der Musik "auszumerzen".

Viel ist über Rosas Karriere nicht bekannt. Eine Verpflichtung an das Stadttheater  Posen im August 1917, die vermutlich kriegsbedingt nicht zustande kam, ein paar Auftritte mit dem Fitzner Quartett und nach dem Krieg zwei Konzerte im Musikverein. Man muß allerdings dazu sagen, daß die Quellenlage schlecht ist. Im Wiener Adreßbuch firmiert sie bis 1942 als Konzertsängerin. Daher dürfte ihre Verpflichtung an das Konservatorium der Stadt Wien erst nach 1945 zustande gekommen sein. Wäre sie schon vor dem Krieg Professorin am Konservatorium gewesen, hätte sie Wert darauf gelegt, auch mit diesem Berufstitel im Adreßbuch aufzuscheinen.

Es ist auch gut möglich daß Rosa nach dem Krieg die Anstellung bekam, weil zu dieser Zeit dringend politisch unbelastete Lehrkräfte gesucht wurden.


 


Es gelang mir, diesen jungen Mann am Klavier zu finden. Er war Rosas Schüler am Konservatorium und hat bei ihr als Corepetitor ausgeholfen. Um ein paar Ecken (Price-Fiedler-Axamit) ist er mit ihr verwandt. Am 19. Februar 2015 haben wir telefoniert. Er erinnert sich gerne an Rosa. Sie war eine angesehene Lehrerin mit bekannten Schülern. Wenn sie am Nachmittag Unterricht hatte, ließ sie regelmäßig aus einem Geschäft eine Jause für sich und die Studenten bringen. Unterrichtet habe sie sicher bis 1963 (da war Rosa bereits 72 Jahre)

Über weniger gute Erfahrungen weiß eine ehemalige Privatschülerin zu berichten:


Lieber Herr Dünser,


gerne wäre ich ich Ihnen behilflich, aber ich fürchte, nicht viel zur „Erhellung“ der Geschichte beitragen zu können

Ich erinnere mich nur dunkel, es ist immerhin ca 50 Jahre her -  und ich hatte damals alles Mögliche in meinem Kopf, außer wirklich hart an meiner Stimmbildung zu arbeiten J

Über Freunde am Konservatorium hat mein Vater ihre Adresse bekommen, ich wurde zum Vorsingen eingeladen und sie hat mich als Schülerin genommen.

Frau Prof. Weissgärber war bereits (seit längerem?) in Pension – ich habe keine Ahnung, wie alt sie tatsächlich war – und seeeeehr gebrechlich.

Deutlich ausgesprochen – bitte verzeihen Sie meine Direktheit:

Sie war ungemein dick, konnte sich kaum fortbewegen, saß immer nur an ihrem riesigen Tisch, der voll mit Medikamenten angeräumt war und kommandierte ihre Betreuerin herum, deren Namen ich vergessen habe, und natürlich auch mich. Das Verhältnis der Beiden stellte sich mir als eine Art von einander abhängigen Hassbeziehung dar…..

 Es war ihr vor allem wichtig, dass sie von ihren Schülern ( andere habe ich leider nicht kennengelernt-als Aushängeschild diente ihr immer Adolf Dalapozza) immer wieder zu Ausfahrten eingeladen wurde, wobei das jedes Mal ein ganz ganz schwieriges Unternehmen war, weil sie ja kaum die Treppe bewältigte und sich auch das Einsteigen in mein kleines Auto sehr difficile gestaltete.

 

Frau Weissgärbers Wohnung im 14. Bezirk war eng, ausgestattet mit großen alten, dunklen Möbeln, einem Konzertflügel, anthroposophischen Bildern an der Wand (sie war Anthroposophin), die aus ihrer Verwandtschaft stammten, also gabs auch bildende Künstler.Genau erinnere ich mich daran, dass sie von ihrer Cousine sprach, die Modell gestand hatte für die Meerjungfrau Kopenhagens.

MfG