Tomilis Uri und seine Karolina

Johann Ulrich (Uri) Mittelberger (4. 11. 1850 - 22. 12 1933) war drei Jahre alt, als sein Vater tödlich verunglückte. Seine Mama Anna Maria stand mit sechs minderjährigen Kindern da. Der älteste Sohn war fünfzehn, das jüngste Kind ein Jahr alt.

es ist erstaunlich wenig von dieser Katastrophe überliefert, aber aus Uris kurvenreichen Lebensweg dürfen wir schließen, daß er als Kind besonders getroffen war. 

Bis der ansehnliche Besitz auf die Witwe und sechs Kinder aufgeteilt war, bedeutete es: "zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig". Zwar bekam er ein Haus, etwas Grund und ein Stücken Wald am Seeble-See, aber es reichte nicht für eine Bauernexistenz. So kam er in eine Gärtnerlehre nach Altenstadt. Der Bergler "Cholderi" brachte für die feineren Arbeiten des Säens und Pikierens nicht die notwendige Geduld auf. Er soll eines Tages eine Aussaatkiste in einen Winkel geworfen und die Lehrstelle verlassen haben.

Sein nächster Anlauf als Metzgerlehrling in Montlingen verlief nicht erfolgreicher. Als er zusehen mußte, wie der Meister eine tote Ratte aus dem Wurstkessel fischte, ohne dann das Wasser zu wechseln, war die Metzgerkarriere beendet.

Uri hatte das Glück, in einer Zeit zu leben, als die Handstickerei durch die Aufträge aus der Schweiz eine Blüte erlebte. So konnte er sich als Stickerfergger etablieren. Es wurde auch erzählt, daß Uri für die Firma Saurer in Arbon Handstickmaschinen aufstellen half.

Seine Wege als Fergger führten ihn eines Tages auch nach Bludenz, wo er am Wegrand mit einer jungen Klostertalerin ins Gespräch kam, die das Vieh ihrer Herrschaft hütete.

 

So traf Tomilis Uri seine Karolina Burtscher, die Tochter des Zimmermanns und Organisten Johann Josef Burtscher aus Wald am Arlberg. Es wird wohl eine kurze Stubat gewesen sein, denn der Weg nach Bludenz war weit.

 

Das Brautpaar Ulrich und Karolina Mittelberger. Mit großer Wahrscheinlichkeit entstand das Bild anläßlich ihrer Hochzeit am 4. Februar 1879. 

Die Bildsprache ist erstaunlich. Uri ist 29 und macht den Eindruck eines Zwanzigjährigen der stolz seine Eroberung präsentiert und mit der Zigarette schon ein wenig "besserer Herr" spielt. Karolina ist 23 und ihr "sparsamer" Gesichtsausdruck macht sie zehn Jahre älter. Vielleicht hat sie im Gang zum Fotografen eine unnötige Verschwendung gesehen. Jedenfalls scheint sie mit Entschlossenheit auf ein entbehrungsreiches Leben eingestellt zu sein.

 

 

 

Das Haus des Fotografen J. A. Straub stand auf dem Platz neben der alten Kirche wo 2015 die Zentrale der Firma Wilhelm & Mayer neu gebaut wurde.

Der Eintrag im Trauungsbuch der Pfarre Götzis. Trauzeugen waren Joh. Michael Mittelberger und Ulrich Marte. Ein Hinweis, daß es aus dem Klostertal niemand bei der Hochzeit war. Da nie über Zerwürfnisse berichtet wurde, wird die Anreise im Winter zu beschwerlich gewesen sein.

Das junge Paar hat nicht viel Zeit vertan um für Nachwuchs zu sorgen. Neun Monate und vier Tage nach der Hochzeit wurde Johann Josef geboren.

 

In sein Gebetbuch hat Uri geschrieben:

 

Johan Ulr Mittelberger und Karolina Burtscher haben das heilige Sakrament der Ehe empfangen am 1879 den 3. Februar in der Pfarrkirche Götzis

 

Den 7 November Nachmittag halb 3 Ur ist das Kind geboren sein Name ist Johann Josef 1879

 

Der nächste Eintrag im Gebetbuch lautet:

 

Den 21 Jänner 1881 Morgens um 3 Uhr ist uns ein Kind geboren sein Name ist Berhard Mittelberger

Den 30 Jänner 1881 Morgens 8 Uhr ist uns das Kind Bernhard gestorben.

 

Es lohnt sich, diese Einträge in das Gebetbuch genauer zu betrachten. Ihr dokumentarischer, emotionsloser Stil richtet sich an kommende Generationen. Das Geschehen ist Teil der Familiengeschichte.

Aber Uri schreibt auch: ...ist uns das Kind Bernhard gestorben. Dieses "uns" beinhaltet allen Schmerz, alle vergeblichen Hoffnungen. Es beschreibt die eigene Ohnmacht und wie das Kind in der Geborgenheit der Eltern gestorben ist. Der Tod des Kindes wird nicht mit religiösen Schnörkel überhöht. Ein Kreis hat sich geschlossen - das Kind ist uns geboren und es ist uns gestorben.

 

 

Bereits 1883 versuchten Uri und Karolina sich im Unterdorf anzusiedeln. Aus der Erbmasse des Johann Koch erwarben sie am 1. April 1883  das Haus Nr. 43, gelegen zwischen der heutigen Franz-Michael-Felderstraße und dem Emmebach. Karolina hat ihrer Enkelin Leni erzählt, daß sie nicht in diese Enge ziehen wollte. Vermutlich war auch das Haus selbst in einem schlechten Zustand, jedenfalls verkauften sie es nur zwei Monate später an den Schreiner Andreas Heinzle.

In den Verträgen scheint Karoline als Hälfteeigentümerin auf. Es ist gut möglich, dass ihr nach der Volljährigkeit ein Erbe nach ihrer Mutter zugute kam.

Am 20. Mai 1889 kauften Uri und Lina  in der Brunnengasse um 3500,- Gulden das Haus Nr. 119 das nach einem Brand vom Vorbesitzer wiederaufgebaut und für die Errichtung einer Stickerei vergrößert worden war.

Dabei soll sich der Besitzer Josef Nägele finanziell übernommen haben und gezwungen gewesen sein, das Anwesen schließlich zu verkaufen.

 

Ulrich und Karolina bekamen für den Kauf vom Feldkircher Josef Zipper ein Darlehen von 1250,-Gulden. Bereits am 2. Juni 1890 konnten sie ihre Schulden begleichen, vermutlich nachdem der Hausverkauf am Götznerberg über die Bühne gegangen war.

 

Heute teilen sich die Urenkel Martin, Klaus und Elisabeth den Besitz.